Petra Hoffmann spricht über ihre Erfahrungen mit der tiergestützten Therapie, das Thema Inklusion und den Auftritt bei "Faszination Pferd".
Petra Hoffmann leitet das Reittherapiezentrum der Lebenshilfe im Nürnberger Land e. V. Das Motto "Pferde bewegen Menschen" prägt die heilpädagogische Arbeit im Therapiezentrum. Ziel ist es, Körper, Geist und Seele des Menschen gleichermaßen anzusprechen und neue Lebensfreude und Kraft zu schenken.

Frau Hoffmann, wie sind Sie zur Reittherapie gekommen?
"Mit 14 Jahren habe ich mein erstes Praktikum in der Sonderschule der Lebenshilfe im Nürnberger Land gemacht. Eine Lehrerin fand heraus, dass ich reite, und organisierte daraufhin ein Event mit den Pferden ihres Freundes - die Indianertage mit Tipi-Bau und Reiten wurden ein großer Erfolg.
Etwa zur gleichen Zeit hatte ich auf dem Ponyhof ein prägendes Erlebnis. Meine Trainerin brauchte Unterstützung bei einer Therapiestunde mit einem Mädchen in meinem Alter, das an einer gestörten Bewegungskoordination litt und im Rollstuhl saß. Zu Beginn fragte ich mich, ob und wie ich das Mädchen ansprechen könnte. Und während ich noch am Nachdenken war, fing Corinna von selbst an, mir zu erzählen, welch ein Gefühl von Freiheit ihr das Pony vermittle und wie unendlich dankbar sie dem Tier dafür sei, ihren Rollstuhl einmal beiseitestellen zu können.
Diese beiden Erfahrungen haben mich motiviert, Soziale Arbeit zu studieren und parallel die Ausbildung zur Reittherapeutin bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu absolvieren."
Was ist für Sie das Besondere an Ihrer Arbeit?
"Es rührt mich immer wieder, was Pferde mit uns machen können. Sich von dem starken Tier tragen lassen, mitbewegt werden, den eigenen Körper spüren - das sind wunderbare Erfahrungen. Pferde sind so stark, dass sie uns ohne Probleme umwerfen könnten, und doch stellen sie sich in unseren Dienst. Dabei sind sie so feinfühlig, dass sie zwischen verschiedenen Einschränkungen unterscheiden können. Unser kleines Shetlandpony Moonfleet zum Beispiel möchte stets mit großem Respekt behandelt werden. Einem Kind mit ADHS, das ihn grob anfasst, zeigt er klar, dass ihm dies gar nicht gefällt, während er bei einem Schwerbehinderten auf die gleiche Form der Berührung gelassen reagiert."
Kommt es vor, dass ehemalige Patienten den Kontakt zu Ihnen suchen?
"Oh ja, ich bekomme ganz viele SMS, die beginnen mit "Sie können sich wahrscheinlich nicht mehr an mich erinnern, ich war …", und deren Absender dann vom erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums berichten. Viele besuchen uns auch im Stall und bringen unseren Pferden als Überraschung Möhren mit. Es ist total klasse, die persönliche Entwicklung des Einzelnen auf diese Weise mitverfolgen zu können."

Wie sieht ihr typischer Arbeitsalltag aus?
"Morgens schaue ich als erstes, wie die Pferdeversorgung läuft. Wir haben einen Pferdepfleger und bis zu 2 Mitarbeiter aus der Werkstatt der Lebenshilfe, die im Stall arbeiten. Vormittags habe ich in der Regel 2 Therapietermine und nachmittags noch einmal 3. Die Einheiten umfassen 60 Minuten und gliedern sich in die Vorbereitung und das aktive Reiten. Elterngespräche, Besprechungen, Qualitätsmanagement und Networking, zum Beispiel mit dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten, nehmen weitere Zeit in Anspruch. Wenn ich eine Lücke in meinem Terminplan finde, arbeite ich im Sinne der Ausgleichsarbeit mit unseren Therapiepferden."
Das Reittherapiezentrum der Lebenshilfe Nürnberger Land wurde vor 5 Jahren eröffnet. Welches Erlebnis hat Sie seither am meisten berührt?
"Es gibt sehr viele Erlebnisse und Schicksale, die mich berühren. Eine meiner Schülerinnen, ein kleines Mädchen, leidet an Krebs. Für mich ist es jedes Mal ein Highlight, wenn sie so stabil ist, dass sie zum Reiten kommen kann. Anfangs mussten wir die Einheiten nach 3 Runden abbrechen, weil sie keine Kraft mehr hatte. Nach der 6. oder 7. Einheit war sie in der Lage, 30 Minuten auf dem Pferd zu sitzen und auch im Alltag wieder Treppen zu steigen.
Und dann haben wir noch einen Jungen, der aus medizinisch ungeklärten Gründen nicht laufen kann. Bei ihm wenden wir die Hippotherapie an und legen ganz viel Wert auf eine intensive pädagogische und physiotherapeutische Begleitung. Wenn es ihm gelingt, sich abgestützt auf das Pferd nur für einen kurzen Moment aus dem Stuhl zu erheben und die Beine durchzustrecken, ist das jedes Mal aufs Neue ein bewegender Moment."
Bei "Faszination Pferd" war die Lebenshilfe Nürnberger Land erstmals im Showprogramm vertreten. Wie bereiteten Sie Ihre Reiter und Pferde auf den großen Auftritt vor?
"Wir planten einen integrativen Führzügel-Wettbewerb, an dem unsere Reitschüler und Reitbeteiligungen, Reiter aus benachbarten Vereinen und Auszubildende der NÜRNBERGER Versicherung mitwirkten. Ziel war es, ein großes Publikum für das Thema Reiten mit Handicap zu sensibilisieren und zu zeigen, welche Freude unsere Schüler an diesem Sport haben. Abhängig von den individuellen Voraussetzungen war dafür mehr oder weniger Zeit nötig.
Die Auszubildenden der NÜRNBERGER, die sich seit Jahren stark für unsere Reittherapie engagieren, kamen zu 2 zusätzlichen Trainingseinheiten zu uns. Im Zuge der Vorbereitung erläuterten wir ihnen zunächst den Unterstützungsbedarf unserer Betreuten und Pferde. Beim gemeinsamen Üben stellte sich dann heraus, ob und welchen Unterstützungsbedarf die Azubis hatten."
Weitere Informationen zum Reittherapiezentrum der Lebenshilfe im Nürnberger Land finden Sie auf der Webseite lebenshilfe-nbg-land.de.
Außerdem informiert das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten umfassend über die Themen Hippotherapie, heilpädagogische Förderung, ergotherapeutische Behandlung und Reiten für Menschen mit Behinderungen unter dkthr.org.
(Bilder: Lebenshilfe im Nürnberger Land e. V.)