Tennis hat das Potenzial, Kinder in seinen Bann zu ziehen. Doch angesichts von Nachmittagsunterricht und einem veränderten Freizeitverhal­ten plagen viele Vereine Nachwuchs­sorgen. Mit kindgerechten Übungen und dem Mut, (Schnupper-)­Stunden auch außerhalb des Vereins anzu­bieten, gelingt es, junge Mitglieder zu werben.

Sie weiß, wie es geht.

Eine, die weiß, wie man die Jüngsten mit spielerischen und abwechslungs­reichen Angeboten fasziniert, ist Inge Zietsman. Seit über 40 Jahren lockt sie mit Fan­tasie, pädagogischem Geschick und viel Empathie Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren auf den Tennisplatz und macht sie dauerhaft zu Fans des "weißen Sports". Nicht selten greift die Begeis­terung der Tennis-Kids auch auf Geschwister, Eltern und Freunde über.

Über Inge Zietsman.

Inge Zietsman (59), ausgebildete Erzieherin, begeistert seit über 40 Jahren Kinder für das Tennis. Gemein­sam mit ihrem Ehemann André hat sie beim TV Fürth 1860 eine der größten Tennisschulen Nordbayerns aufgebaut. Der stete Zulauf an Kindern ist unter anderem auf ihren unermüd­lichen Einsatz in Kindertagesstätten, Kinder­gärten und Grundschulen, ihre offene und motivierende Art sowie ihr buntes Übungsportfolio zurückzu­führen. Ihr Wissen gibt sie seit 5 Jahren als Referentin für Kindergarten- und Schultennis an Trainer und Vereine im Bezirk Mittelfranken des Bayerischen Tennis-Verbands weiter. Im vergan­genen Jahr veröffentlichte sie im Eigenverlag eine Übungs- und Spielesammlung für den Bereich Kindertennis.

Tennis-Spiele

Inge Zietsman im Interview mit der NÜRNBERGER.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Kindertennis zu schreiben?

In Fachzeitschriften, Büchern und im Internet gibt es unglaublich viel Material für den Punkt, ab dem Kinder den Tennisball schon treffen. Aber wie bringt man sie dahin? Dazu gibt es fast nichts. Als ich nach einem Vortrag bei einer Trainerfort­bildung des Bayeri­schen Tennis-Verbands angesprochen wurde, ob ich meine Übungssammlung digital zur Verfügung stellen könnte, habe ich mir überlegt, dass es schön wäre, diese als Buch zu haben. Ich liebe Bücher und finde es cool, wenn man in ihnen blättern und sich Notizen machen kann. Beim Schreiben des Buches habe ich mich bewusst auf die Praxis fokussiert. Meine Tochter Janine hat dann noch die kindgerechten Illustrationen angefertigt.

Welche Philosophie steckt hinter Ihrer Übungs- und Spielesammlung?

Ich möchte mit meinem Buch einen Balanceakt schaffen zwischen einer vielseitigen Bewegungsförderung und der Hinführung zum Tennis. Kinder sind so begeiste­rungsfähig, wenn der Spaß­faktor stimmt. Sie lernen leicht und verbessern sich schnell. Es gibt für mich nichts Schöneres, als mit Kindern zu arbeiten. Sie sind Rohdiamanten.

Ab welchem Alter ist es sinnvoll, Kinder an das Tennis heranzuführen?

Ich nehme die Kinder so jung wie möglich ins Gruppentraining auf. Mit den 3-Jährigen arbeite ich sehr spielerisch. Mit Tennistraining im eigentlichen Sinn hat das noch nicht so viel zu tun. Der Schwerpunkt liegt auf Koordinationsübungen und allge­meinen Basics, wie zum Beispiel Fangen, Rollen, Dribbeln, Prellen und Werfen. Ganz wichtig ist der Spaßfaktor, den ich vor allem über Spiele vermittle.

Wie wecken Sie bei den Jüngsten Begeisterung für Tennis?

Sobald ich die Kinder auf dem Platz habe, sind sie begeistert. Das ist wahrscheinlich eines meiner Talente. Ich war schon immer gerne mit Kindern zusammen, finde sie fantas­tisch. Wahrscheinlich merken die Kinder das auch. Natürlich arbeite ich als Pädago­gin mit positiver Verstär­kung, Lob, Humor. Zusammen mit kindgerechten Erklärungen fördert das den Spaß am Sport. Wenn ich im Kindergarten eine Stunde gebe, fangen wir mit einem Handkreis und einem Lied an. Das ist ein komplett anderes Herangehen als beim Training mit älteren Kindern. Auch auf dem Platz spiele ich gerne mit der Fantasie der Kinder. Wir holen unsere Trainings­geräte zum Beispiel bei der Hexe Wackelzahn im Materialhäuschen ab. Wichtig ist, dass man mit den Kindern auf Augenhöhe kommuniziert, keine Scheu davor hat, die Märchen­tante zu sein, und trotz aller Lockerheit klare Regeln setzt.

Kinderspiele Tennis

Wie gelingt es Ihnen, viele Kinder gleichzeitig auf einem Platz zu bewegen?

Das funktioniert am besten mit Spielen. Fang-, Reaktions-, Staffel- und Ballkünstlerspiele sind sehr beliebt. Wenn es um das Tennis geht, ist es nicht mehr so einfach. Es ist wichtig, die richtige Technik zu zeigen und kurze, knackige Erklärungen zu geben. Und dann muss es auch schon losgehen. Denn Kinder wollen immer etwas zu tun haben. Ohne Kolonnen­training geht es beim Tennis ab und zu nicht. Bei den ganz Kleinen muss man, um Erfolgs­gefühle zu vermitteln, den Ball so zuwerfen beziehungsweise zuspielen, dass er auf dem Schläger des Kindes landet. Eine gute Alternative ist es, das Kolonnentraining mit Stationen­training zu kombinieren. Wenn die Kinder nach dem Schlagen eine Aufgabe erledigen müssen und sich dann erst wieder anstellen dürfen, nehmen sie die Wartezeit besser auf.

Welche Übungsformen sollten im Training mit Kindern auf keinen Fall fehlen?

Das Problem ist, dass man nur 60, maximal 90 Minuten zur Verfügung hat. Man kann nur einen kleinen Auszug bringen. Wenn man das Training möglichst vielseitig aufzieht, ist eigentlich alles dabei: Fangspiele, Ballspiele und Geschicklichkeit. Je kleiner die Kinder sind, desto kürzer ist die Konzentrationsspanne und desto größer muss das Repertoire an Übungen sein. Low-T-Tennis, also das Hin- und Herrollen eines Schaumstoff- oder Wasserballs mit dem Tennisschlä­ger innerhalb eines bestimmten Korridors, ist für die Jüngsten ideal. Denn sie stehen bei der Übungsaus­führung automatisch seitlich zum Ball.

Nehmen Sie sich ein Beispiel an prominenten Vorbildern wie Judy Murray?

Ja, ich interessiere mich sehr dafür, was andere machen. Mein Vorbild muss aber nicht immer prominent sein. Aus dem Workshop mit Judy Murray beim NÜRNBERGER Versicherungscup habe ich eine tolle Idee mitgenommen, die Pinata. Zu Hause habe ich direkt eine gebaut. Mit einem Stab und einer Tüte, die ich mit zusammengeknüllten Plastiktaschen gefüllt und mit einem Seil am Stab befestigt habe. Weil es einen lauten Knall gibt, lieben es die Kinder, mit dem Schläger auf die Pinata zu schlagen. Gleichzeitig üben sie den Bewegungsablauf des Schmetterballs.

Judy Murray

Muss es immer ein Tennisplatz sein?

Nein. Wir haben schon überall gespielt - auf dem Marktplatz, der Straße, dem Parkplatz, der Tartanbahn, im Schulhof, in der Turnhalle oder dem Bewegungs­raum. Kindertennis funktioniert überall dort, wo der Platz eben ist und kein Verkehr fährt.

Sie arbeiten seit mehr als 40 Jahren mit Kindern. Haben Sie den Eindruck, dass motorische Defizite zunehmen?

Ja, das ist ein Punkt, der mich umtreibt. Ich sehe drastische motorische Defizite. Gleichzeitig belegen wissenschaftliche Studien, dass Fußverformungen, Haltungs­schäden und Fettleibigkeit schon bei einem Drittel der Kinder auftreten. Das ist eine Katastrophe. Das tut mir weh. Sport hat in unserer Gesellschaft noch einen viel zu niedrigen Stellenwert, gerade im Jüngsten­bereich. Dabei gehen motorische und geistige Entwicklung doch miteinander einher. Das sportliche Potenzial der Kinder ist da, doch es wird - sofern sich die Eltern nicht bemühen - liegen gelassen. Zu diesem Thema habe ich schon viele Politiker angesprochen, aber kaum Resonanz erhalten.

Was ist die wichtigste Voraussetzung, um ein guter Kindertennis-Trainer zu sein?

Man muss Kinder lieben. Wer Kinder nervig findet, ist nicht geeignet. Außerdem muss man authentisch sein. Es bringt nichts, den Kindern etwas vorzuspielen, sie durchschauen es. Selbstverständlich hat der Trainer auch eine Vorbildfunktion, das fängt beim kollegialen Miteinander an und geht bis zum Balleinsammeln.

Fällt es Ihnen schwer, Kinder, mit denen Sie über einen geraumen Zeitraum zusammengearbeitet haben, denen Sie die Basics beigebracht haben, loszu­lassen beziehungsweise an andere Trainer abzugeben?

Ja, das ist in der Tat nicht so einfach. Aber sie bleiben im Verein und ich sehe sie immer wieder. Es ist toll, was man von den Kindern zurückbekommt. Wenn ich zu einer Stunde in die Grundschule gehe, kommen die Kinder angeflitzt und fallen mir um den Hals. Die Kinder erkennen auch mein hellblaues Auto mit den aufgeklebten Tennisbällen von Weitem, winken mir von der Bushalte­stelle aus zu und freuen sich. Man kriegt einfach unheim­lich viel zurück. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

Top-3-Übungen aus dem Kindertennis-Training mit Inge Zietsman.

  • Bewegungsspiel: Der Wackel­pudding
    Der Trainer bindet ein Seilchen am Netz fest und wackelt damit hin und her, dass eine Welle entsteht - waagerechte oder senkrechte Wellen oder wild durcheinander. Je nach Größe und Alter der Kinder variieren Höhe und Intensität. Die Kinder springen darüber und laufen hinter dem Trainer herum in die Startposition.

    Das Seilchen kann auch ruhig vor und zurück geschwungen werden. Die Kinder müssen dann den richtigen Absprungmoment abpassen, also das richtige Timing finden.

    Variationen:
    • Das Seil wird im Kreis herum geschwungen und die Kinder versuchen durchzulaufen.
    • Die Kinder trauen sich schon, in der Mitte am Sprungpunkt zu bleiben und mehrmals über das Seil zu springen. Das macht Riesenspaß - es geht eben nichts über die altbewährten Kinderspiele.
  • Fangspiel: Goofy
    Ein Kind ist der Goofy und erhält einen Schaumstoffball. Es versucht, einen Mitspieler abzuwerfen. Wer abgeworfen wurde, ist der Goofy. Man kann es auch so spielen, dass die Abgeworfenen auch jeweils einen Schaumstoffball erhalten und es so immer mehr Goofys werden. In einer größeren Gruppe bietet es sich an, gleich von Anfang an 2 oder sogar 3 Goofys zu haben. Dann kommt Action in die Bude!
  • Tennisspiel: Die Spinne
    Dieses Spiel hat André Zietsman vor vielen Jahren aus Südafrika mitgebracht und es ist immer noch der absolute Renner!
    Der Trainer ist die haarige, dicke Spinne. Die Kinder sind die leckeren Fliegen und die Spinne will die Fliegen fangen. Das Tennisnetz ist das Spinnennetz. Der Trainer wirft oder spielt die Bälle zu, ein Kind nach dem anderen muss versuchen, den Ball über das Netz zu spielen (größere Kinder müssen 2 oder mehr Bälle sauber zurückspielen). Wird dies geschafft, ist der Spieler nicht gefangen und stellt sich nach Durchlaufen eines Parcours oder Slaloms wieder in der Reihe an. Schafft der Spieler die Tennis­aufgabe nicht, ist er von der Spinne gefangen worden. Er muss auf die Seite der Spinne (des Trainers) kommen, 3 Bälle in den Trainerkorb sammeln und warten, bis die nächste Fliege (Spieler) ihn "befreit". Zum "Befreien" müssen natürlich doppelt so viele Bälle über das Netz gespielt werden. Werden alle Fliegen (Kinder) erwischt, müssen sie 10 Straf-Hampelmänner machen und weiter geht’s mit der nächsten Runde!

    Achtung: Es gibt Kinder, die Angst vor Spinnen haben. Dann kann die Spinne ja stattdessen auch ein Löwe sein, ein Bär, ein Schnee­mann oder ein Hum­pumpel. Wie gesagt: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Die Übungsbeispiele sind der 2017 erschienenen "Kindertennis: Übungs- und Spielesammlung" von Inge Zietsman entnommen. Auf über 60 Seiten hat sie die besten Spiel- und Bewegungsfor­men und praxisnahe Tipps aus über 40 Jahren Jüngsten­tennis zusammenge­stellt.