Wenn es auf dem Platz nicht richtig läuft, die Bälle im Netz hängen bleiben oder weit ins Aus segeln, dann gibt es häufig nur einen Schuldigen: den Tennisschläger bzw. dessen Bespan­nung. In diesem Punkt ähneln sich Profis und LK-Spieler.

Im Tennis ist vieles Kopfsache. Doch wenn man nur ein bisschen spielen kann, merkt man, ob die Saite noch lebendig oder schon ausgehärtet ist. Einer, der sich exzellent mit dem Bespannen und Präparieren von Tennisschlägern auskennt, ist Gunther Strähle. Der Stuttgarter, der national und international bei ATP,-, WTA- und ITF-Turnieren als offizieller Besaiter zum Einsatz kommt, spricht im Interview über besondere Davis-Cup-Momente, sein Vorbild Niki Pilic, die Bespannungsvorlieben deutscher Profis und Besaitungsfehler von Freizeit- und LK-Spielern.

Über Gunther Strähle.

Gunther Strähle (54) ist aus dem Betreuerstab der deutschen Fed-Cup- und Davis-Cup-Mannschaften nicht wegzu­­denken. Er ist es, der die Rackets von Angie Kerber, Julia Görges, Sascha Zverev, Philipp Kohlschreiber und Co. richtig besaitet und tunt. Sein enormes Fachwissen, sein Hang zur Perfektion und sein Einfühlungs­vermögen in das Denken und Handeln der Tennisprofis machen ihn seit über 30 Jahren bei internationalen Events rund um den Globus zu einem gefragten Experten. Auch bei den mit 7 Mio. US-Dollar dotierten WTA-Finals in Singapur ist Gunther Strähle der offizielle Bespanner.

Gunther Strähle im Interview mit der NÜRNBERGER.

Seit Anfang der 1990er-Jahre sind Sie der offizielle Besaiter der deutschen Tennis-Nationalmannschaften. Welches Erlebnis im Davis Cup oder im Fed Cup ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Nie vergessen werde ich den Davis-Cup-Sieg der Deutschen gegen Australien in Düsseldorf 1993. Der 4:1-Erfolg von Michael Stich, Patrick Kühnen und Marc-Kevin Göllner war ein absolutes Highlight für mich. 2 Jahre später stand das deutsche Team im Davis-Cup-Halbfinale in Moskau. Nach dem 1. Tag führten wir mit 2:0. Boris Becker und Michael Stich unterlagen im Doppel knapp in 5 Sätzen. Am Sonntag konnte Boris Becker das Einzel verletzungsbedingt nicht bestreiten, Bernd Karbacher verlor glatt gegen Jewgeni Kafelnikow. Im entscheidenden Match hatte Michael Stich im 5. Durchgang beim Stand von 7:6 9 Matchbälle in Folge, die Andrej Tschesnokow souverän abwehrte. Eine Stunde später beendete Michael Stich das Match mit einem Doppelfehler. Das war das Bitterste, was ich je im Sport erlebt habe. In der Kabine flossen bei allen Tränen.

Auch dieses Jahr gab es große Emotionen im Davis-Cup-Viertelfinale gegen Spanien.

Das Match von Philipp Kohlschreiber gegen David Ferrer zählt zu den Momenten, die ich nicht vergessen werde. Nach 4:50 Stunden mit 5:7 im 5. Satz zu verlieren und zwischen­zeitlich nur 2 Punkte vom Sieg und damit dem Einzug ins Davis-Cup-Halbfinale entfernt gewesen zu sein, tut einfach nur weh. Positiv ist, dass die Woche in Valencia mit den jungen Spielern sehr intensiv war und uns als Team zusammengeschweißt hat.

Was bedeutet Ihnen Tennis und wie sind Sie zum Besaiter der deutschen Nationalmannschaften geworden?

Ich lebe das Tennis, sonst wäre ich nicht in dieser Position. Man muss es lieben. Mein großes Vorbild ist Niki Pilic. Von ihm habe ich viel gelernt, ihm habe ich viel zu verdanken. Die Erfahrung, die er insgesamt hat, ist unbezahlbar. Ich habe ihn bei Turnieren kennengelernt, bin über ihn immer näher an die deutschen Spieler herangekommen. Die Entscheidung, dass ich ins Betreuungsteam des Davis Cup aufgenommen wurde, geht auf Niki Pilic und Michael Stich zurück. Später wurde mein Engagement auf den Fed Cup ausgeweitet.

Kommt es vor, dass Spieler nach einer Niederlage die Schuld bei Ihnen, der von Ihnen geleisteten Arbeit suchen?

Tendenziell ist es so, dass die Spieler nach dem Match kommen und sich bedanken, sagen, dass es eine tolle Bespannung war. Ganz selten bekomme ich während eines Matches Schläger zurück, die nicht gerissen sind und neu besaitet werden sollen. Das passiert zum Beispiel, wenn sich der Spieler auf 30 Grad Celsius und Sonnenschein eingestellt hat und es durch ein Gewitter zu einem Tempera­turabfall gekommen ist. Je höher das spielerische Niveau ist, desto empfindlicher sind die Spieler. Sascha Zverev lässt am Abend vor dem Match bespannen. Über Nacht verliert die Saite dann etwa ein halbes Kilopond an Spannkraft. Dadurch wird sie wieder lebendiger. Philipp Kohlschreiber dagegen möchte seine Schläger vor dem Match ganz frisch bespannt haben. Er lässt nicht so hart besaiten wie Sascha Zverev und möchte deshalb Spannungsverluste vermeiden. Sein Racket wechselt er konsequent, wenn es neue Bälle gibt, also nach 7 und dann immer nach 9 Spielen.

Wie oft sollten Breitensportler ihre Besaitung erneuern lassen?

Da gibt es einen einfachen Richtwert: die Häufigkeit des Spiels pro Woche. Wenn man 2 bis 3 Mal pro Woche spielt, sollte man seinen Schläger, sofern die Saite nicht vorher reißt, mindestens 2 bis 3 Mal pro Jahr besaiten lassen. 2-mal während der Freiluft- und 1-mal vor dem Start der Hallensaison. Im Sommer ist die Beanspruchung für die Saite durch Sonne und Feuchtigkeit größer als im Winter, deshalb empfiehlt es sich, die Saite zu Saisonbeginn und dann nach etwa 3 Monaten zu erneuern.

Welche Bespannungshärte ist zu empfehlen?

Grundsätzlich gilt: Je höher ich mit der Bespannungshärte gehe, desto mehr Kontrolle habe ich. Je weicher ich die Bespannungshärte wähle, desto mehr Drall kann ich spielen. Für LK-Spieler ist die Range zwischen 23 und 27 Kilopond grundsätzlich zu empfehlen. Wenn der Treffpunkt noch nicht so gut ist, sollte man eher in den unteren Bereich gehen. Trifft man präziser und spielt man etwas schneller, ist der mittlere Bereich zu empfehlen, also etwa 25 Kilopond. In einer normal temperierten Halle kann man mit der Bespannungshärte im Vergleich zum Sommer um 1 bis 2 Kilopond nach oben gehen. Spielt man in einer kalten Halle, kann man den Wert der Sommermonate beibehalten.

Wirken sich noch weitere Faktoren auf die Härte der Bespannung aus?

Ja, das Saitenbild und die Größe des Schlägerkopfs spielen ebenfalls eine Rolle. Bei einem offenen Saitenbild von 16 x 19, also 16 Längs- und 19 Quersaiten, ist der Abstand zwischen den Saiten größer. Der Ball dringt tiefer in das Saitenbett ein und kann mit Drall versehen werden. Ein enges Saitenbild von 18 x 20 gibt mehr Kontrolle und Präzision. Der Span­nungserhalt ist hier auch besser, da die Saite nicht so viel arbeitet und die Kontaktzeit geringer ist. Bei einem Saitenbild von 16 x 19 können Quer- und Längssaite gleich hart bespannt werden, bei einem Saitenbild von 18 x 20 sollte man mit der Quersaite etwa 1 Kilopond heruntergehen.

Intensiv diskutiert wird auch die Frage des Materials. Monofil, multifil oder Darm - was können Sie Breiten­sportlern und LK-Spielern empfehlen?

Hobbyspielern empfehle ich wegen der Dämpfung und der Armschonung gerne multifile Saiten. Da bei diesen unzählige Fasern verdrillt und von einem robusten Mantel umgeben sind, kommen sie den Eigenschaften einer Naturdarmsaite sehr nahe. Eine der besten monofilen Saiten in Bezug auf Spannungserhalt und Spin ist die Alu Power von Luxilon, die mittlerweile von verschiedenen Herstellern kopiert wird. Sie eignet sich sehr gut für LK- und Turnierspieler und wird auch von Profis sehr häufig gewählt. Spitzen­spieler wie Angelique Kerber, Maria Sharapova, Serena Williams, Roger Federer und Novak Djokovic kombinieren Naturdarmsaiten und monofile Saiten. Wird die Natur­darmsaite bei einer Hybrid-Bespan­nung längs genommen, ist sie lebendiger und verleiht mehr Touch, wird sie quer genommen, sorgt sie für mehr Spin und der Spannungserhalt ist insgesamt besser.

Welche Auswirkungen hat der Saitendurchmesser?

Dünnere Saiten haben eine bessere Spielbarkeit, dickere Saiten halten länger. Auf der Tour bevorzugen viele Profis einen Saitendurchmesser von 1,25 mm. Ein Spieler, der mit viel Drall agiert und dessen Schläger ein Saitenbild von 16 x 19 hat, sollte einen Saitendurchmesser von 1,30 mm wählen, da die Saite sonst zu schnell durch ist. Bei einem Saitenbild von 18 x 20 sollte der Saitendurchmesser bei 1,20 oder 1,25 mm liegen.

Es gibt zahlreiche LK-Spieler, die ihre Schläger selbst bespannen. Was sind die häufigsten Fehler und wie können diese vermieden werden?

Meist wird der Schläger nicht ordnungsgemäß in die Maschine eingespannt. Er sollte an 6 Punkten fixiert werden. Wird er zu locker in die Halterungen geschraubt, verzieht er sich beim Bespannen. Bei zu starrer Fixierung ist aufgrund der hohen Kräfte ein Bruch des Schläger­rahmens möglich. Die Haltekraft der Zangen ist bei weniger hochwertigen Maschinen oft nicht gegeben, sodass die Saiten im Bespannungsvorgang durchrutschen. Häufig wird beim Einziehen der Quersaite nicht darauf geachtet, diese gerade einzuziehen und dann erst abzuklemmen. Dadurch wird die gewünschte Härte nicht erreicht. Die Längssaiten sollten von der Mitte heraus wechselweise eingezogen werden. Erst 4 links, dann 6 rechts. Anschließend die linke Hälfte fertig machen, Knoten setzen und fort­fahren. Um Verformungen zu vermeiden, ist es außerdem ganz wichtig, die Quersaiten vom Kopf zum Herzen einzuziehen. Das ist einer der häufigsten Fehler.

Und zum Abschluss noch eine Frage für die jüngsten Tennisfans: Worauf sollten Tenniseltern bezüglich der Besaitung der Schläger ihrer Kinder achten?

Neue Kinderschläger sind häufig schon werksseitig bespannt. Die Qualität der Saite und der Bespannung ist nicht optimal, aber für das Spiel mit den druckredu­zierten roten Bällen geeignet. Sobald das Kind beginnt, mit den grünen Bällen zu spielen, sollte der Schläger frisch besaitet werden. Im Idealfall mit etwa 20 Kilopond. Höher als 21 oder 22 Kilopond sollte man auf keinen Fall gehen.